Das Herz des Königs schien ungefährdet, es vollzog den stolpernd-schnellen, tänzelnden Lauf eines Traumfinders auf dem Weg zu seiner Findung. Die Muskelspannung wie auch der Schnelldruck des Herzens waren in Ordnung. Was dem Propheten jedoch Sorgen zu bereiten begann, das waren die Schwingungen seines Atems. Daher auch die Alarmzeichen der Maschine: Der König bekam mit jedem Atemzug weniger Luft in seinen überhitzten, überanspruchten Organismus. Die Maschine warnte vor einem Hirnschaden, vor einem Atemtrauma, dem Phänomen des Gottentwichenen. Denn wenn die Maschine eine gute Diagnostikerin war, so war sie doch keine Lebenserhalterin; sie diente nur dem Einen.
Das gestand sich der Prophet nur in solchen Momenten der Verzweiflung mit zischenden Lippen und angstverzerrtem Antlitz ein. Sie blieb eine Menschenschlingerin.
Doch nicht lange konnte dieser Gedanke sich in seinem panischen Herzen ausbreiten. Die Maschine verlangte jetzt immer deutlicher und dringender konkrete Taten. Der Umwandlungsprozess drohte zu scheitern. Denn der Visionenträger über dem Atemgitter der Maschine war so lange gut, als dieser ihre Kraft und ihre Zeichenmacht in ihn abzuleiten, einzuflössen verstand.
Dieser Visionenträger kam an sein Ende, das sah der Prophet, als er sich von den hüpfenden, ineinander verschmelzenden Diagrammen, die ihn an die Anzeigetafel bannten, abwandte.
Der König kniete vor dem donnermurmelnden Hilasterion. Noch hielt er seinen Oberkörper aufrecht, doch die Arme hatten die Übermacht gewonnen. Sie vollführten die ersten Bewegungen vom „Tanz des betrunkenen Affen“. Noch hätte ein Aussenstehender die Bewegungen als Teil eines wirklichen Tanzrituals deuten können, doch einem erfahrenen Maschinisten wie Samuel konnte es nicht entgehen, welche ausrenkende Kraft in diesen anfänglich langsamen, nur willkürlichen Rundumschlägen steckte, die mit der Zeit heftiger werden konnten und in plötzlichen, reissenden Drehungen die Schultergelenke zerstören würden.
Nein, er wollte nicht an David denken, dessen Arm er nie ersetzen können würde. Er konnte jenes Unglück nicht mehr ändern, aber dieses hier verhindern. Er war nachlässig geworden.
Schnell kehrte er sich der Hauptschalttafel zu und begann die Hirnsicherungen einzuschalten. Mit seiner rechten Hand zog er gleichzeitig die Stecker aus den Ermöglichungs-Kreisläufen. Zuletzt stöpselte er, mit beiden Händen und seinem ganzen Gewicht zerrend, den Kontaktschalter aus, der die Maschine mit dem Paradies verband.
Ein leises kümmerliches Jaulen kam nun aus der mächtigen Kiste heraus: Der Eine hatte verstanden, dass man ihr das tägliche Brot rauben wollte. Fast sofort finden die Arme des Königs stärker zu pendeln an.
Doch der Prophet wusste sehr wohl, dass die Maschine nicht ruhen würde, bis sie den Visionenträger, der zu schwach war, ihre Visionen in Menschengestalt zu verwandeln, in wandelnde Menschentaten, verschlungen hätte. Er musste den König selbst retten.
Mit langsamen, tappenden Schritten ging er auf die Mitte des Raums zu, die von grünem Licht und dem Geruch von Asche erfüllt war. Heute war dem Aschegefühl in der Luft noch eine andere Spur beigemischt. Es roch nach brennenden Nadeln oder altem Leder, es war ein schwankender, ein einsaugender Geruch aus einem für Menschen zu grossen Gesicht.
Mit einer einzigen wieselartigen Bewegung war der Prophet zum König aufs Gitter gesprungen, hatte ihn von hinten um den Rumpf gefasst, der Ellbogen des Königs traf ihn dabei schmerzhaft am linken Ohr, und den schweissgebadeten, stinkenden Mann mit aller Kraft vom Gitter gezerrt. Der Mann war leicht geworden, seine schweren Knochen fühlten sich wie Hühnerbeine an, seine Muskeln waren wie mit Luft gefüllte Schweinsblasen.
Die Maschine jaulte jetzt mit ihrer ganzen Kraft und aus ihrem ganzen, allmächtigen Verlangen. Funkenschläge kamen aus dem Untergrund des Gitters. Die wenigen verbliebenen Steinskulpturen, die aus dem Boden ragten oder von Decke und Wände hingen – der Prophet zählte sie alle auf, um sich zu beruhigen: die Kehrende, die Rückende, der Näherer, die Anwandende, das Gespiel, der Bodenrührer, die Abgewandte, Die-alles-riecht und Der-alles-schmeckt, – sie drohten abzubrechen oder umzustürzen in dem kleinen Erdbeben.
Doch der Prophet hat sich schützend über seinen König geworfen. Der Schweiss und Unrat des Königs und seine Tränen vermengen sich. Hin und wieder reckte der kleine Mann über dem grossen Mann seinen Kopf, als befürchte er, die Tentakel eines Unterwesens züngelten durch das Gitter empor und suchten nach ihnen, um sie aufzubrauchen.
(Danke an waldkunst für das Bild. Es schlägt einen schönen ironischen Bogen hinüber zu Lovecrafts Ctulhu…)